Sowas kommt von sowas …

 

 In der Natur gibt es diesbezüglich keine Debatte. Wenn die Leitkuh einer Elefantenherde in ihrem Dienst versagt oder das Alphamännchen bei den Wölfen, wer auch immer gerade das Sagen hat, vielleicht auch das ranghöchste Weibchen eines Clans bei den Hyänen, wird abgesetzt – Punkt! Versagen sie auf Dauer mit ihren Entscheidungen, welche sofortige Auswirkungen auf den restlichen Teil des Verbandes haben, scheitern sie bei der Jagd oder aber finden den Weg zur Wasserstelle nicht rechtzeitig und kriegen sonst auch nichts mehr auf die Reihe, reichen sie das Zepter weiter oder aber müssen einem stärkeren, deutlich jüngerem weichen. Andernfalls gehen halt auch alle mit ihnen zusammen unter, verdursten oder verhungern, werden vertrieben, was auch immer … alles denkbar. Was jedoch undenkbar ist, dass so jemand weiterhin das Heft in der Hand hält. Wer nichts taugt oder der Aufgabe nicht gewachsen ist … wer seinen Job nicht richtig macht … sollte freiwillig gehen … darf gehen … oder wird gehen müssen … zum Wohle aller anderen, für die er die Verantwortung trägt.

 

 Und bei uns? Ha – Lotta warf den Kopf in den Nacken und konnte dann  nicht umhin, ihn zu schütteln. Ja – bei uns, bei uns sieht das wohl deutlich anders aus. Die Höheren üben sich im Vertuschen und Verbergen. Wie viele Politiker oder Manager oder andere Führungsposten hätten dann schon gnadenlos in die Wüste geschickt werden müssen. Tun wir aber nicht, wir sind ja keine Viecher! Die in den oberen Etagen dürfen wohl als geschickt genug angesehen werden, da sie frühzeitig einen Dummkopf als möglichen Sündenbock im Visier haben, der im Falle eines Falles halt um selbigen erleichtert wird. Die folgerichtige Konsequenz müsste jedoch eine andere sein. Hin und wieder wird mal ein Bauernopfer gebracht und dann ist es eh bald wieder vergessen. Pech für den, der es dann abkriegt – früher oder später wächst auch da wieder Gras drüber.

 

 Eigentlich dürften da etliche Führungsriegen vollständig ausgetauscht und durch Leutz mit Verstand, vor allem aber mit Herz, ersetzt werden. Das, worauf die alle mit einem herablassenden Lächeln verzichten. Der Knaller aber ist, dass die das durchaus wissen und sich selbst darüber noch erheben, weil wir ja eh zu blöd sind, um uns wirksam zur Wehr zu setzen. Die, welche darauf bestehen, dass sie ausschließlich von denen umgeben sind, die eine ordentliche „Ja-Sager-Mentalität“ unwiderruflich in sich tragen, weil gerade das ihre eigene Machtposition stärkt. Entwicklung und das Beste zum Wohle von allen fallen da weit in den Hintergrund und scheinen so gar nicht das anvisierte Ziel zu sein – das soll verstehen, wer will … Lotta konnte nur den Kopf schütteln! In einer Welt, in der ausschließlich schwarze Zahlen die Vormachtstellung haben, konnte und wird sie sich sicherlich völlig fremd fühlen. Dort, wo man sich seinen untergeordneten Leuten gegenüber verhielt wie die Axt im Walde, ging ihr jegliches Verständnis flöten … sie sah allerdings auch keine Veranlassung, ihre Meinung gerade in diesem Punkt zu ändern – nö!

 

 Sonderbarerweise schießen aber gerade entgegen dieser machtbesessenen Hornochsen auch jene wie Pilze aus dem Boden, die eben das verstanden haben. Die ganz bewusst eine völlig andere Strategie fahren und das um Längen erfolgreicher! Weil es eben von nicht unerheblichem Ausmaß ist, habe ich meine Leute hinter mir stehend. Das ist dann wirkliche Anerkennung, die nicht infrage steht, weil sie eben nicht auf Macht fundiert ist! Wenn ich die Persönlichkeiten wahrnehme und auch anerkenne, nicht nur die Funktion, sondern den Menschen, der diese ausübt, mit einbeziehe, ihn sein lasse, wie er ist und ihm etwas wohlwollend zutraue, ihn dabei unterstütze und nach erfolgreichen Ergebnissen sein Aufgabengebiet erweitere oder ihn entsprechend fördere, dann, und zwar ausschließlich nur dann, erreiche das Unmögliche. Meine Mitarbeiter werden mir gegenüber stets loyal sein, so etwas wie Eigeninitiative sowie das Bestreben, unbedingt das Beste aus sich herausholen zu wollen und es deswegen auch zu können, ist etwas, das nicht käuflich ist! Wir können uns dann gemeinsam weiter entwickeln, das Unternehmen voranbringen, was dann nicht ständig fürchten muss, aus welchen Gründen auch immer gestürzt zu werden. Ein Unternehmen hängt an seiner gelebten Philosophie und daran, wie es die oberen Leute mit ihrer Fähigkeit so sehen – der Fähigkeit, Werte wie würdiger Umgang als auch Achtung und Respekt, von der Putzfrau bis zum Geschäftsführer, anzuerkennen und zu leben! Nur das allein schenkt eine Ausstrahlung, die Vertrauen schafft – das, was wir so bitter nötig haben!

 

 Um die ihre Konsequenzen auch spüren zu lassen, die das bis heute nicht verstanden haben, fehlen uns oftmals die Mittel, leider. Oder weil wir halt nicht aufgepasst haben, waren wir doch zu sehr mit Kopf senken und Klappe halten beschäftigt! Unsere Stimme bei der Wahl so abzugeben, dass dort Folgen fürs Handeln übernommen werden müssen, setzen wir auch nicht so um, dass es besagte Nachspiele zwingend erforderlich macht … nicht einmal das kriegen wir hin! Da kommen dann plötzlich Gruppierungen zu Wort, von denen man sich fragt, was die eigentlich genommen haben? Entweder vom Falschen zu viel oder aber vom Richtigen deutlich zu wenig … durch so manches in Erscheinung treten ist man geneigt sich permanent die Augen reiben zu müssen, weil man nicht glauben mag, was da so geboten wird und sich an ein Kasperletheater erinnert fühlt, womit die ursprüngliche Bedeutung des Parlaments sowie dessen Aufgaben komplett durcheinander gewürfelt werden – nur leider alles andere als im positiven Sinn! Und das nicht, weil man es muss, naja gut, die mit der anderen Meinung müssen dann schon mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Die, die das notwendig werden lassen, haben gerne mal die Substanz hinter dem Zweck vergessen und palavern fragwürdige Thesen heraus, weil sie es können – ein Aufhalten allein der Wähler erwirken könnte. Was er nicht in dem Maße tut, wie es angebracht wäre … dürfen wir doch alle unsere Meinung sagen, richtig?

 

 Mit was beschäftigen sich die da oben denn so den ganzen Tag? Was dort teilweise für Debatten geführt werden, grenzt ja schon an eine Zumutung aufgrund fehlender inhaltlicher Substanz und ist so weit vom Eigentlichen abgekommen, dass Lotta sich nur noch schütteln wollte. Wenn das ein Spiegel unserer Gesellschaft sein soll oder das, was gemäß unserer Wahlstimme unsere Einstellung repräsentiert, dann aber mal Gute Nacht! Da bietet manch ein Reality-Trash mehr Unterhaltung, weil man dort weiß, man wird an der Nase herumgeführt – aber im Bundestag? Euer Ernst? Aber wir leben eine Demokratie … und doch darf man annehmen dürfen, dass die Ernsthaftigkeit der Abgeordneten zielorientiert zu sein hat … darf man oder ist das auch schon seit längerem total außer Kraft gesetzt?  – Vermutlich!

 

 Vor dem Hintergrund, dass Tausende auf die Straße gehen und ihrer Meinung Ausdruck verleihen, sich für Menschenrechte als auch Toleranz einsetzen, und doch nur bedingt etwas in Bewegung setzen können, ist es schon fragwürdig, warum gerade das nicht die Anerkennung findet, die es eigentlich müsste. Wie kann man Menschen die Anfahrt in Häfen verweigern, weil sie Flüchtlinge an Bord haben? Warum darf man das? Was ist hier eigentlich los? Wo leben wir und vor allen Dingen, in welcher Zeit leben wir eigentlich? War da nicht noch das so finstere  Mittelalter am Ende gar menschlicher? Das jenen, die helfen, wo es unzweifelhaft dringlich erforderlich ist, die gar noch von anderen unterstützt werden, indem diese auf die Straße gehen, dennoch solchen Statuten unterworfen werden, lag jenseits von Lottas Verständnis! Wer oder was läuft hier so unsagbar schief?

 

 Das Problem an der Sache ist aber noch viel weitreichender. Denn, sind wir ehrlich, man kann durchaus dem Glauben verfallen, dass wir im Kleinen nicht wesentlich besser sind als die Großen. Auch wir kümmern uns kaum um etwas anderes als uns selbst, zumindest nicht, wenn es brenzlig wird und eben mit offensichtlichem Machtmissbrauch einhergeht. Denken wir an unseren Umgang mit all diesen schrecklichen Vergehen wie sexueller/narzisstischer Missbrauch, häuslicher Gewalt, Psychoterror jeglicher Art, Kindesmisshandlung oder ausufernde Drogenanwendungen wider Willen; denken wir daran, wie wenig wir solchen Dingen wie Mobbing Herr werden können. Vermutlich haben unsere Fehlentscheidungen, unser Versagen auf menschlicher Ebene im Kleinen nicht so weitreichende Konsequenzen, wie dass die indischen Kinder auf unseren gelben Säcken herumlaufen oder die afrikanischen ihr eigenes Wasser kaufen müssen, trotzdem bleibt unser Unvermögen nicht ohne Folgen. Nicht selten kostet das die eine oder andere Existenz, mag vielleicht nicht so ins Gewicht geschweige denn auffallen, wenn es dabei um einzelne geht. Wer seinen Nächsten direkt angreift, entwertet oder verbal angeht, kommt ebenfalls nicht dem nach, was einen menschlichen Umgang kennzeichnet. Der hochmütige oder cholerische Chef oder wer auch immer hier die Kassiererin anschnauzt, vielleicht ist es auch die überforderte und total genervte Mutter, die ihr Kind frustriert angeht, es kann sein wer will, im Prinzip jeder von uns. Fakt ist, da wir uns im Kleinen schon nicht im Griff haben, wenn wir uns dort Dinge bieten lassen, die jeglicher Grundlage entbehren, kriegen wir das im Großen nie hin. Wir sind und bleiben zwangsläufig machtlos … tolle Aussichten, dachte Lotta!

 

 Der Mensch neigt dazu, dass ihm die Macht zu Kopf steigt. Gemäß Abraham Lincoln „gib einem Menschen Macht und es zeigt sich sein wahrer Charakter“ muss man sagen, dass es diesbezüglich eine unermessliche Ansammlung von Totalversagern gibt, die eben genau hierin tagtäglich ihr Nieten-Dasein belegen und dieses auch noch vehement mit allen niederträchtigen als auch hinterhältigen Methoden voller Brass gnadenlos verteidigen. Erbärmlich – für den Menschen! Aber auch für die Gesellschaft, die sich das bieten lässt und nicht zu helfen weiß!

 

 Kein Wunder, dass die Sittlichkeit vergessen worden ist, also das, was sich gehört. Aber ist das wirklich in allen Glaubensrichtungen so? Gibt es da nichts, was Halt, Anstand als auch einen Weg zu innerem Frieden und Ausgeglichenheit zu ebnen vermag? Geht es denn ausnahmslos um Macht und die Durchsetzung selbiger? Immer?

 

 Lotta musste spontan an den Buddhismus denken, der nicht daherkam und alles andere niedermetzeln musste. Dem eine Einstellung sowie innere Überzeugung zugrunde lag, das Leben mit Gelassenheit zu sehen und anzunehmen, was halt kommt. Man könnte das auch so interpretieren, dass damit gemeint ist, dem Lauf des Lebens zu folgen und das Beste daraus zu machen, ohne dieses als Bürde oder auferlegte Strafe durch Gott oder das höher Gestellte zu betrachten. Wo der Fokus auf das Innere gerichtet ist und darin eine Form von Macht liegt, weiß man damit umzugehen. Ein gnadenloses Gehorchen nicht mal angedacht zu sein scheint, stattdessen Ursache und Wirkung des eigenen Handelns miteinander in Verbindung stehen und auf diese Weise Leid oder auch Glück ihren Weg finden können, bzw. werden …

 

 Eine Denkweise, die im Gegensatz zu allen anderen so etwas wie eine unantastbare Vormachstellung des drohend über uns Wachenden komplett ausschließt. Die ihre Lehren hat und sie auch denjenigen, die es möchten, einen Zugang ermöglicht und nicht an der Tür klingelt und sagt „guten Tag, ich möchte mit ihnen über Gott reden“, in der Hand einen Flyer der Zeugen Jehovas haltend. Oder die es nötig hat, in den tiefsten Urwald zu jagen, um missionarische Arbeit zu leisten und alles an bisher verankertem, jahrhundertealtem Wissen zu vernichten. Etwas zu zerstören, was zuvor einwandfrei funktioniert hat und zudem noch in sich  sowie im absoluten Einklang mit der Natur stabil war. Denen zu unterstellen, dass alles Bisherige totaler Quatsch ist, grenzt ja schon an eine kaum in Worte zu fassende Arroganz, die vor Überheblichkeit nur so trieft und hier historisch belegbar außer Zerstörung nichts Positives beinhaltet hat. Besonders schlau muss man nicht sein, um begreifen zu können, dass aus etwas Schlechtem solchen Ausmaßes nichts Gutes hervortreten kann – das kann nichts werden, das sieht doch schon ein Blinder mit Krückstock! Zwar können die jetzt lesen und schreiben, nützt aber wenig, wenn mich eine Giftnatter lahmlegt und ich die Pflanze nicht finden kann, deren heilsame Kraft die möglicherweise tödlichen Spuren mildern oder gar ausbügeln kann. Wie ich daraus ganz ohne Labor etwas schaffe nur weil ich weiß, wie ich diese trocknen muss oder als Paste zerreibe mit was auch immer noch zusätzlich vermenge, das heilen kann, was einem humanmedizinischem Wissen in Nichts nachstehen muss. Mal ganz abgesehen davon, wie in manch ländlicher Region hierzulande es noch vor Jahren nicht gerade unüblich war, dass mindestens ein Nachkömmling der Kirche sein Leben zu widmen hatte, indem Töchter ins Kloster geschickt wurden oder aber Söhne den Priesterweg beschreiten sollten. Freiwillig tun das heutzutage bei weitem nicht mehr so viele, wie noch vor einigen Jahrzehnten es ganz selbstverständlich der Fall gewesen ist.

 

 Was Lotta so überhaupt nicht in den Kopf ging, war das diesem Handeln zugrunde liegende Denken, man müsse die aufgestellten Gebote ehrfürchtig achten und um dem Nachdruck zu verleihen, wird Macht ausgeübt. Man wird bedroht mit möglichen Konsequenzen, der Herr im Himmel und so weiter, der alles sieht also pass auf, aber das Nächstliegende, die Folgen für mich hier und jetzt, fallen unter den Tisch! Wo steckt da der Sinn hinter, wenn ich etwas unterlassen soll ohne zu begreifen, warum denn eigentlich. Nur weil mir die Knie schlottern, weil der da oben mich zur Rechenschaft ziehen wird eines fernen Tages, wenn ich denn endgültig mein Leben loslassen muss, habe ich noch lange nicht kapiert, warum es so wichtig ist, etwas bestimmtes halt nicht zu tun! Das war aus Lottas Sicht völlig an der Sache vorbei geschossen und das um Meilen!

 

 Dieses Ding mit „ich habe Recht und du keine Ahnung!“ ging ihr ziemlich gegen den Strich, um nicht zu sagen total auf die Nerven. Dass man andere nicht entwerten soll, weil es diese verletzt und ich durchaus in der Lage bin, negative Dinge positiv zu formulieren, darf einem gesagt werden. Manch einer muss das trainieren und wird feststellen, dass er deutlich erfolgreicher damit ist als wenn er den arroganten als auch überheblichen Pinsel raushängen lässt. Jemanden niederzumachen um sich selbst dadurch größer wirken zu lassen, hat sofort Auswirkungen, nicht erst mit dem Tode, sondern jetzt. Der andere leidet und was noch viel schlimmer ist, er verliert die Achtung. Vermutlich bekommt er Angst vor dir, klar – aber Angst ist keinesfalls mit Achtung und Respekt gleichzusetzen. Wer um sich schlägt, baut auf allem anderen auf als auf Würde, geschweige denn einer Anerkennung selbiger. Demnach verwirkt er das Recht darauf, diese für sich in Anspruch nehmen zu können. Es hat also den absolut gegenteiligen Effekt und damit auch eine sofortige Wirkung! Menschen, die so ticken, sind durch – im Kopf! Verzeihlich ist sicherlich unter Anspannung stehend sich mal im Ton zu vergreifen, aber wo ist das Problem, sollte einem das passiert sein, sich später dafür zu entschuldigen? Niemand wird gerne entwertet und das zu Recht!

 

 Habe ich das verstanden, im Herzen und mit der Seele, und richte mein Verhalten anderen gegenüber danach aus, brauche ich auch nichts zu fürchten, was man mir im Sterben unter die Nase reibt! Ist mir klar, wie wichtig es ist, mit anderen würdevoll umzugehen, weil ich es in meinem Inneren fühlen kann, ist ein Damokles-Schwert über mir überflüssig. Ich weiß also instinktiv, was ich zu tun und zu lassen habe und einem schriftlich fixierten Dogma, das mich in Ketten legt und mir gleichzeitig Möglichkeiten zur Abbitte eröffnet, konnte jemand wie Lotta nur mit Verständnislosigkeit begegnen! Da war es wieder, das Gewissen – über das ich verfüge, weil es inbegriffen und kostenlos, ohne etwas dafür tun zu müssen in meinem Wesen verankert ist … bin ich denn gewillt, darauf zu hören!

 

 Gemäß Aristoteles konnte sie an dieser Stelle nur sagen „was es alles gibt, was ich nicht brauche“! Sonderbarer Weise ist es schon interessant, wenn man bedenkt, dass dieser Mensch vor mehr als 2000 Jahren gelebt hat und die Menschen sowie deren Verhalten auf eine Weise beschreiben konnte, die heute noch 1 zu 1 übertragen werden kann. Sprüche wie „unser Charakter ergibt sich aus unserem Wesen“ oder aber auch und von Lotta sehr geliebt: „Habgier bedeutet, dass ein Mensch nach etwas trachtet, das er nicht besitzt. Neid hingegen bedeutet, dass er sich über etwas ärgert, was ein anderer besitzt!“ Gerade diese beiden Eigenschaften oder besser Kennzeichen des menschlichen Charakters waren vorhanden und wurden ausgelebt, schon Jahrhunderte bevor irgendwer auf die Idee gekommen ist, diese als „Todsünden“ zu fixieren. Genau genommen könnte man sogar daher gehen, dass zu Aristoteles‘ Zeiten, also von 384 v. Chr. bis 322 v. Chr. klar war, dass Habgier und Neid Schaden anrichten, und erst im vierten Jahrhundert nach Christus wurden diese als „Sünden“ in einer Liste bekundet, später noch einmal im sechsten Jahrhundert durch den damaligen Papst Gregor I. abgeändert. Trotzdem kann man einen deutlichen Rückgang eben dieser zweifelsohne üblen Verhaltensweisen nun nicht gerade belegen – so gar nicht! Was sagt uns das? Ein einzelner Mensch ist durchaus in der Lage, lernfähig zu sein und sein Verhalten zu ändern, wenn notwendig geworden – die Menschheit an sich aber ist es nicht, ebenfalls so gar nicht! Es funktioniert demnach nicht zwingend in einer Gemeinschaft, schon gar nicht in einer Gesellschaft und im internationalen Kollektiv keine Chance mehr! Welchen Sinn hat es also, darauf bestehen zu wollen, dass es Gebote in dieser Form mit Recht gibt, die zudem noch andere Sichtweisen verbannen und sich als die einzig Richtige betrachtet wissen wollen? Nur mal so …

 

 Um das Ganze noch zu toppen, dachte Lotta gerade daran, dass womöglich jemand äußerlich betrachtet als „Atheist“ erscheinen mag, eben weil er nicht sonntäglich in die Kirche geht und darauf vertraut, dass Jesus übers Wasser gelaufen ist. Dennoch kann er weit aus christlicher sein als jene, die sich den Statuten blindlings unterwerfen, zur Beichte gehen und vom „lieben Gott“ als machtbesessener, alles andere übergeordneter Institution sprechen. Er kann dieses, indem er sich seinen Mitmenschen gegenüber moralisch und ethisch einwandfrei und damit „menschlich“ verhält!

 

 Spinnen wir den Kram doch mal weiter, fand Lotta und holte geistig tief Luft! Wäre Gott daran gelegen, alles Verwerfliche verhindert zu wissen, warum bestraft er dann erst am Ende unseres Lebens, also mit dem Tod durch Einzug in den Himmel oder die Hölle, und lässt auf Erden die Dinge, mit anderen Worten das Böse, ungestraft geschehen? Warum genau lässt er so viel unerträgliches Leid zu? Normalerweise müsste er doch über uns sitzen, die Hände fest vors Gesicht gepresst halten und unentwegt vor Entsetzen und Fassungslosigkeit weinen, ähnlich wie Lotta sich vor etlichen Gedankengängen in die Untiefen des Meeres versenkt gesehen hat, als sie begann, über uns nachzudenken. Ohne sich bezüglich einzelner emotionaler Empfindungen einer höheren Macht gleichsetzen zu wollen, wäre das selbstverständlich eine menschliche Regung. In Anbetracht der Tatsache, dass das Höhere eben nicht menschlich ist oder sein kann, werden auch wohl solche Bildnisse von Gott nicht zutreffend sein können. Alles Leid, das geschieht, ist halt menschlich und auf diesen klar und einwandfrei zurückzuführen, weshalb es auch so gar keinen Sinn macht, einen allmächtigen und über uns thronenden Gott heranzuziehen, damit er ausbügelt, was wir falsch gemacht haben. Nur wir können uns ändern und nicht eine übergeordnete Macht, der wir uns unterwerfen … insofern dem Himmel sei Dank, dass manch einer von uns noch lange nicht vergessen hat, worauf es ankommt!

 

 

 

 

Wenn die Seele im Dunkeln tapert …

 

 Aber all diejenigen, die sich mit vollem Elan den fragwürdigen Charaktereigenschaften wie eben Habgier und Neid oder auch Stolz sowie Größenwahn hingeben, vergessen gerne die Folgen für das Hier und Jetzt … Die, die aggressiv und scheinbar selbstverliebt oder auch maßlos von sich überzeugt daherkommen … Die, denen es auffallend an Gewissen mangelt – denen offenkundig nichts anhaftet, was ein instinktives Gleichgewicht von richtig oder falsch kennzeichnen würde.

 

 Lotta konnte gar nicht begreifen, wie man sich so dumm anstellen konnte, dass man geflissentlich das ausblendete, was direkt greifbar vor einem liegt. Gemäß einem Kleinkind, das glaubt, es wird nicht gesehen, nur weil es sich tapfer die Augen zuhält … Können Erwachsene, gebildete Menschen tatsächlich so blind sein?

 

 Wer niederträchtig ist oder sich gar gezielt kriminelle Dinge einfallen lässt, denen er nachgeht … es reicht aber auch schon, jemanden einfach hinterhältig anzugehen … und diesbezüglich Pläne schmiedet, die man dann in die Tat umsetzt … der trägt ebenfalls sofort Konsequenzen und bezahlt, auch wenn es nicht so erscheinen mag!

 

 Die permanente Angst in sich tragend, was geschieht, wenn man auffliegt, ist eine davon! Immer auf der Hut sein zu müssen eine nicht zu verachtende Anspannung. Im geheimen und versteckten Rahmen agieren als auch vorbereiten zu müssen mit dem ständigen sorgenvollen Blick über die Schulter, kann das kurzfristige Vergnügen, bei scheinbarem Erfolg der Handlung, nicht ausgleichen. Denn nur während der Tat nicht erwischt zu werden ist die eine Sache, auch im Nachhinein unentdeckt zu bleiben, die andere! Es kann durchaus sein, dass diejenigen, die so ticken, eben diesem Glauben verfallen, dass es sich lohnt, so zu sein. Den Aufwand für wert halten, den man erbringen muss, um mit solchen Aktivitäten einem anderen, unabhängig von dem Ausmaß, Schaden zuzufügen, tut nur jemand mit begrenztem Denkvermögen! Aus den Augen aus dem Sinn funktioniert leider nicht. Es kommt alles zurück, manchmal dauert es etwas länger, zugegeben, aber es kommt, es kommt garantiert zurück! Genau genommen geht es nicht mal weg, sondern ist permanent da …

 

 Es fragt auch nicht oder klopft vorsichtig an die Tür … denn je hochnäsiger man wird, weil man sich auf der sicheren Seite wähnt, da man nicht erwischt wurde, umso übermütiger wird man auch! Eine logische Folge … wie der Löwe, der plötzlich den wütenden und aufgebrachten Büffel vor der Nase hat, der unerwartet Kehrt macht um ihm eins überzubraten!

 

 Das, worauf diese Seelen sich gerne ausruhen von wegen „mir kann so schnell keiner was“, ist ein Trugschluss. Du bezahlst umgehend! Die innerliche Anspannung ist von Dauer. Das freiwillig geopferte Vertrauen schlägt zurück, weil auch so jemand gar nicht in der Lage ist, anderen zu vertrauen. Tut er selbst nicht, also geht er auch nicht davon aus, dass es wer mit ihm ernst, geschweige denn ehrlich meinen könnte. Demzufolge muss er alles und jedes absichern, permanent hinterfragen und so zurechtlegen, dass ihm nix geschehen kann … herrje – das kann anstrengend werden. Er oder sie weiß schließlich, es ist ein Ar*** und geht demzufolge zwangsläufig davon aus, alle anderen sind es sowieso!

 

 Jedes Lächeln eines anderen, sei es noch so herzlich, wird hinterfragt – man verliert die Fähigkeit, das eine von dem anderen zu unterscheiden und konzentriert sich dementsprechend auf eine innere Abwehrhaltung, die ausschließlich auf angestrengte Wachsamkeit fundiert zu sein hat und ständig damit rechnen muss, enttarnt zu werden. Besagte Kraftanstrengung lässt sich auch in Gesichtszügen ablesen, an einem falschen Lächeln erkennen, an einer gekünstelten Sprache, an gestelzten Bewegungen … es liegt sowas von auf der Hand, wenn wer was im Schilde führt! Lotta konnte immer gar nicht begreifen wie ein klar denkendes Individuum, mit oder ohne Studienabschluss, auf das schmale Brett kommen kann, dass niemand in der Umgebung hinter die Fassade zu blicken fähig ist. Leute, die so ticken, berauben sich dessen, wo nach sie so begehrlich streben, unentwegt selbst – niemand sonst trägt dafür die Verantwortung außer eben man selbst!

 

 Natürlich gibt es die Blender unter uns. Die daherkommen mit einem scheinbar freundlichen Gesichtsausdruck, die Meister der Manipulation und so weiter. Das mag auch alles eine ganze Weile erfolgreich sein. Aber wenn sie durchschaut werden, ernten sie auch etwas weit aus tiefer reichendes, nämlich Abscheu und Verachtung. Wer so handelt, weiß, dass ihm das blühen kann und im Zweifelsfall auch wird … man hat also unentwegt das vor Augen, was passieren könnte ohne zu wissen, wann oder ob es überhaupt eintritt! Nee – mit so jemandem wollte Lotta absolut nicht tauschen, so ganz und gar nicht!

 

 Oder die Neider dieser Welt – bei denen Lotta nur frei nach dem Motto „pack dir an den Kopf und sage Kürbis gedeihe“ selbigen schütteln konnte. Neid hielt sie sicherlich für brandgefährlich und doch war ihr das außerordentlich fremd! Man ärgert sich nur über das, was ein anderer hat, weil man es selbst gerne hätte und nicht auf die Kette kriegt, es zu bekommen. Häufig sind es die Wesenszüge, das Erscheinungsbild oder die Ausstrahlung eines anderen, sein Erfolg oder die Beliebtheit, womöglich auch sein Hab und Gut oder das, was er geschaffen hat, was Neid nähren kann. Bedeutet doch im Rückschluss nicht mit dem zufrieden zu sein, wer man ist oder was man besitzt. Daran sind natürlich die Schuld, die es halt haben – klar! Das ist ja nicht nur ein mittelmäßiger Verstand, der dem zugrunde liegt, sondern kommt einem Totalausfall sämtlicher Hirnaktivitäten gleich! Allerdings beruhend auf einem nicht vorhandenem Selbstwertgefühl sowie dem ständigen Zwang, verzweifelt auf der Suche nach Anerkennung sein zu müssen! Alles das ist schon eine erhebliche Strafe … aus welchen Gründen auch immer es zu diesem inneren Zustand gekommen ist, so ist es ohne Einschränkung etwas, das die Seele eindeutig im Trüben fischen lässt, mit innerlichen Qualen einhergeht und durchaus schmerzhaft sein kann!

 

 Je länger man mit so etwas scheinbar durchkommt, je höher also die Position oder Stellung, in der man so agieren kann, umso schwärzer auch die Seele … wer anderen ihr Leuchten neidet, in dessen Innern wird jedweder möglicher Lichteinfall umgehend absorbiert, ausgeknipst durch Finsternis. Das, was so jemand bekommt, ist nicht zu verwechseln mit ehrlicher Achtung oder Respekt, sondern gleicht einer vorgeschobenen Freundlichkeit, die niemals ehrlich sein kann und dort oben weiß man, dass es zu keiner Zeit ernst gemeint ist. Wenn man ständig mit Menschen verkehrt, die nicht frei und vertrauensvoll sein können, dann kann das keinen Spaß machen, geschweige denn glücklich! Eine Welt, die aus Fassaden besteht … nicht schön!

 

 Von Lebendigkeit oder gar Lebensfreude keine Spur, immer beherrscht und konzentriert, kein Durchatmen oder was auch immer – es rächt sich umgehend. Keine ehrlichen oder wahren Freunde, weil Vertrauen null und nichtig … kein wirklicher Halt, keine aufrichtige Liebe, zumindest kann man sich dessen nicht sicher sein … man tapert im Dunkeln und muss blindlings vor sich hin tasten … und wird, folgt man dieser Strategie ohne Einsicht oder gar Reue, dort verharren müssen … von wegen Hölle erst nach dem Tod … Fegefeuer schon im Leben, dachte Lotta! Spontan musste sie in diesem Zusammenhang an ‚Dorian Gray‘ denken, jenem von Oscar Wilde geschaffenen Individuum, das sich zu altern weigert. Das nach außen hin schön und jung bleibt, aber seine Seele in einem Bildnis mehr und mehr zum Monster mutiert, sich an seine frevelhaften Taten anpasst – es hinterlässt alles Spuren, immer und zu jeder Zeit! Je grausamer er sich im Leben anderen gegenüber verhält und charakterlich dem Maßlosen hingibt, umso mehr zerfällt sein Inneres. Es hat eben doch Auswirkungen.

 

 Auch und gerade jene, die halt ganz oben stehen, die, mit den Dollarzeichen im Auge, deren Fokus ausschließlich darauf liegt, ständig mehr haben zu wollen, mehr … mehr … und noch mehr … die, welche verächtlich auf alles andere herabschauen und mit eben dieser Geringschätzung auch nicht hinterm Berg halten, sondern das auf dem Revers vor sich hertragen, weil sie sich für etwas Besseres halten … opfern, ohne es zu merken, die Haltung, mit etwas zufrieden sein zu können. Sie sind stets auf der Jagd und verlieren die Fähigkeit, sich zutiefst über etwas zu freuen, das persönlich ist. Zugleich müssen sie darauf bedacht sein, nicht das zu verlieren, was sie haben. Da nützt auch kein Besuch im Burj Khalifa was, wenn man andauernd damit beschäftigt zu sein hat, raffen, horten und festhalten zu müssen. Den Augenblick genießen ist durchaus drin, aber sie sind gerne etwas anderem unterworfen, nämlich diese Form des Genießens ständig aufrecht erhalten zu müssen und so jetten sie von einem Ort zum anderen ohne Rast und Ruh. Ballern sich mit Eindrücken, Events und was auch immer zu, blättern mal eben mehr als 30.000 Dollar für eine Handtasche hin … keine Ahnung, auf jeden Fall haben sie den Blick für die Dinge, die halt nicht bezahlbar sind, komplett verloren.

 

 Ein solches Inneres ist nicht etwas, das Neid fördern könnte, im Gegenteil … es sei denen, die so leben, gegönnt, von Herzen, sofern es diese glücklich macht, mal in Dubai gewesen zu sein, keine Frage. Aber das bezweifelte Lotta erheblich, wenn es zur Dauereinrichtung wurde, weil es eben ein ausdrückliches Anzeichen von Maßlosigkeit war, die kein Ende in Sicht haben konnte. Was diese auch gerne mal an den Tag legen konnten, war sich selbst zu feiern. Dem Rausch und der Maßlosigkeit so verfallen zu sein, kann sich nicht gesund in Herz und Seele, Körper und Geist anfühlen – das stellte Lotta ausdrücklich infrage. Von daher war wohl eher Mitleid das, was sie für diese Seelen empfand. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass so jemand, der sich vielleicht an der Börse verspekuliert und auf einmal ohne all das dasteht, spüren wird, wie wichtig ehrliche Freundschaft sein kann. Seine bisherigen Begleiter sehen sich vielleicht nicht dazu veranlasst, ihm zu helfen, weil er es als Mensch verdient haben könnte … und auf einmal werden dann eben die Dinge wichtig, die man zuvor verächtlich beiseite geschoben hat!

 

 Emotionale Sicherheit ist eben nicht käuflich zu erwerben … und ein darauf aufgebautes Gefühl von innerem Frieden, Liebe und Glück aus tiefster Seele mit keinem Geld der Welt zu bezahlen! Das Bestreben, sich den moralischen als auch ethischen Ansichten nicht grob verletzend gegenüber zu verhalten, hat durchaus Sinn, wenn nicht sogar eine Notwendigkeit … wie gut zu wissen, dass es diese Menschen gibt, die sich dessen bewusst sind und es leben, jeden Tag wieder, dachte Lotta innerlich aufatmend!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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© Jasmina Marks