Tja, da stehe ich nun und weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll.

 

 Sicher ist, dass ich heute, wenn ich so zurückblicke, selber erstaunt bin darüber, wo ich nun stehe.

Ich habe für viele Jahre nicht daran geglaubt, jemals dort hinzukommen oder dass es mir möglich sein würde, mir selbst nahe zu sein.

 Und, noch obendrauf, auch mit dem Gefühl werde leben dürfen, dass ich mich tatsächlich in meiner Haut wohl fühlen kann……..



 

 Viel zu lange ist das anders gewesen: ich konnte mit diesem Körper nicht leben, konnte ihn nicht ertragen. Dieser Körper, der alles über sich hat ergehen lassen, den Dreck in sich aufgenommen hat und auch äußerlich völlig verkrustet zu sein schien. Weder massives Duschen, Dauererbrechen, Nahrungsverweigerung, aus Angst vor Albträumen wach bleiben etc. konnten da Abhilfe schaffen – im Gegenteil – es wurde nur schlimmer…


 Ich hätte nie gedacht, dass es mir gelingen würde, eben diesen Körper akzeptieren zu lernen und ihn eines Tages als das Zuhause meiner Seele zu betrachten!

 

 

 Ich habe bis heute nicht verstehen können, warum diese Leute das Ziel, mich zu zerstören (mein Wesen und meinen Willen, meine Selbstbestimmung zu brechen), so vehement verfolgt haben.


 All die Jahre bin ich durch mein Leben geirrt, überladen mit Schuldgefühlen und selbstzerstörerischem Verhalten, ohne jeglichen Halt und vor allem auch, ohne das Gefühl, je auf Menschen zu treffen, die mich aufrichtig schätzen können, die auch wirklich ehrlich zu mir sind…

 

 Ich war mir sicher, dass das gar nicht geht – man kann mich weder gernhaben noch für liebenswert halten. Ich habe es nicht verdient, respektiert zu werden: ein innerliches und äußerliches Wrack……

 

 

 Ich bin ein „importiertes“ Kind, wie ich immer so gerne sage. Ein Kind, das Menschen an „Kindes statt“ annahmen - so lautet zumindest die amtliche Umschreibung und entgegen der Tatsache, dass es zahlreiche Menschen gibt, die eine Adoption durchaus aus reiner Nächstenliebe eingehen, war es in meinem Fall anders. Im Nachhinein erscheint es mir beinahe so, als sei ich ausschließlich für diesen einen Zweck hergeholt worden.

 

 Ich weiß also sehr genau, was es heißt, nicht willkommen zu sein und sich deplatziert zu fühlen. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie wenig ich begriff, was da vor sich ging und vor allem, warum???

 

 Der Missbrauch hörte über viele Jahre nicht auf und auch waren die „anderen“ immer schneller als ich. Sie sagten über mich, dass ich eine notorische Lügnerin sei und man schon immer mit mir Probleme gehabt hätte. Wenn man geahnt hätte, was man sich mit mir ins Haus holt, dann hätte man das nicht gemacht. Aber man weiß ja leider vorher nicht, was man bekommt…..

 

 Niemand war mehr bereit, mich anzuhören – man hat sich einfach von mir abgewendet. Ich bin mehr als einmal in mir zusammengefallen und war mir selbst überlassen. Musste hinnehmen, dass sich Menschen plötzlich abwenden. Ich musste mir anhören, wie undankbar ich doch war, wie egoistisch und nur auf meinen persönlichen Vorteil bedacht und noch vieles, deutlich Beleidigenderes mehr…….

 

 Sicherlich wussten mehr Leute aus dem Umfeld, was tatsächlich gespielt wurde, als mir klar ist. Aber diese Menschen haben sich nicht verpflichtet gefühlt, einzuschreiten, sondern ließen lieber mich fallen! Durch dieses ignorante Verhalten zwangen sie mich in eine dramatische Einsamkeit hinein.

 


 Ich weiß, wie vernichtend dieses Gefühl ist, das in einem fest verankert zu sein scheint; wenn Du genau weißt, niemand hilft Dir – sie sehen es, aber sie helfen Dir nicht – dann glaubst Du irgendwann, dass Du es nicht besser verdient hast – und dieser Gedanke ist fatal, erst recht, wenn er zu einer Überzeugung wird!!!

 

 Ich habe es einfach nicht gelernt, wie man sich anderen Menschen gegenüber verhält, woran man erkennt, zum Beispiel, dass es jemand nicht gut mit einem meint.

 

 Wenn Du ständig (von klein auf) lernst, dass man Dich schlecht behandelt und verletzten darf (was offensichtlich legitim ist, weil es tut ja niemand etwas dagegen!), dann bist Du gewohnt, dass niemand nett zu Dir ist - man macht sich keine Gedanken darüber, auch wenn die Gefühle vielleicht sagen, das etwas nicht richtig ist – aber Du kannst nicht handeln! Vielleicht zu vergleichen mit einer inneren Starre oder Lähmung………

 

 Aber auch hier gibt es noch viel gravierendere Folgen, als den Missbrauch allein, also „nur“ auf den Körper bezogen und Dein Recht, auch über diesen selber zu bestimmen, denn das hattest Du ja nicht!

 

 Viel grausamer kann es sein, wenn man dann an Menschen gerät, die Dich nicht nur nicht gut behandeln, sondern Dein Vertrauen oder auch Deine Freundschaft ebenfalls ausnutzen oder gar missbrauchen!

 

 Es gibt welche, die meinen es noch nicht einmal böse, sondern handeln vielleicht aus Unsicherheit so, oder weil sie sich schlicht auf ihre eigenen Interessen konzentrieren. Und solange Du diesen dienen kannst, bist Du willkommen, ansonsten eben nichts mehr wert.

 

 Dann gibt es welche, die meinen es absolut böse mit Dir, aber Du bist so sehr gefangen in Dir selber, dass es die Option, sich abzugrenzen und eindeutig zu sagen, „lass mich in Ruhe“ einfach nicht gibt – woher denn auch, man hat es ja all die Jahre anders gelernt!!!

 

 Widerstand hatte Konsequenzen und zog Strafen nach sich, entweder körperliche Gewalt oder seelische Grausamkeit – häufig sogar beides zusammen – wer soll sich da noch wehren können???

 

 Auch das ist mir passiert, ich geriet immer an die falschen Leute! Mit brutalen Folgen für mich und meine Seele, mein Selbstwertgefühl, das ohnehin gar nicht existierte.

 

 Und dann stehst Du da eines Tages, völlig unverhofft und brichst total in Dir zusammen, ob der Gewaltigkeit, mit der das Bewusstsein in Dich drängt, dass es wieder einmal genau die falschen Leute waren, denen Du Dich anvertraut hast – die Dir entgegen ihrer Behauptungen doch nichts Gutes wollten!!

 

 Und dann ist alles einfach nur noch finster, im Inneren wie äußerlich….

 

 Die ideale Voraussetzung, alles hinzuschmeißen und sich vom Leben endgültig zu verabschieden!

 

 Was soll man hier auch noch, man ist zu blöd, um sich abzugrenzen, nicht in der Lage, sich vor solchen Leuten zu schützen und muss dann auch noch zu allem Überfluss die Scherben aufsammeln…..sterben scheint da leichter, dann hat es ein Ende und ist vorbei – endgültig!

 

 Ich dachte zunächst, dass ich mich verschließen muss, damit ich am Leben bleiben kann, bis meine Kinder alt genug sind, ihren Weg ohne mich gehen zu können – sie mich nicht mehr brauchen werden. Ich wusste, dass ich sie nicht alleine lassen darf – aber woher die Kraft immer nehmen???

 

 

 Wie eingangs schon mal erwähnt, habe ich mich selbst aufgegeben - und ich hätte nie daran geglaubt, dass es trotz allem sinnig sein könnte, sich an die Arbeit zu machen und den Versuch zu unternehmen, alles, Stück für Stück, wieder aufzubauen…

 


 Wozu denn auch, das Leben hatte mich etwas anderes gelehrt! Und doch fasste ich nach Jahren diesen Entschluss und holte mir psychologischen Beistand – weil ich wollte, dass es aufhört!!!!!


 Aufhört mir wehzutun, aufhört, mich einzuschränken und endlich damit Schluss sein möge, dass Menschen mir Schaden zufügen oder mich in Angst versetzen, nur weil es denen so in den Kopf kommt!!!


 Oder jene sich in meinem nahen Umfeld tummeln, die mich nur und ausschließlich dann akzeptieren können, wenn ich alles das macht, was sie wollen und zwar genau so, wie sie es mir sagen - also permanent Forderungen an mich stellen. Mich praktisch „entmündigen“, dieses vorgeblich zu meinem eigenen Wohl – was letztendlich aber gar nicht dabei rauskommt………

 


 

 Das entmutigende an der Entscheidung, sich helfen zu lassen, ist, dass es so unendlich viel erscheint, was da vor einem liegt – man nicht einmal ein Ende absehen kann, geschweige denn einen Anfangspunkt findet und nur die Hoffnung bleibt, es könne eines Tages vielleicht doch anders sein – aber Hoffnung ist nicht Glauben!!!


 Denn häufig steht vor dieser Hoffnung, am Ausgangspunkt, diese niederschmetternde Hoffnungslosigkeit, die Kapitulation vor dieser Welt, die sich so selbstgerecht erhebt über das Schwächere……selber schuld, wenn man an die „Falschen“ gerät – also sieh zu, wie Du damit fertig wirst!

 


 Was ich in meinem Leben gelernt habe, ist eindeutig: Niemand setzt sich so sehr für Deine eigenen Belange ein, wie Du selbst es kannst! Und wenn Du es nicht tust – jemand anderes tut es auch nicht für Dich!!!

 

 Nachvollziehen, was sich in einem missbrauchten Geschöpf abspielt, ist letztendlich nur jenen vorbehalten, die genau das durchlebt haben! Oder aber genau denen, die den Mut haben, solchen Menschen ernsthaft zuzuhören und ihnen Unterstützung anbieten als auch geben können und wollen!!!


 Niemand von denen, die nicht wissen, worum es geht, sollte sich anmaßen, Dinge oder daraus resultierende Verhaltensweisen zu bewerten!!!! Arroganz ist absolut fehl am Platz!!!

 

 

 Mit der Unterstützung unterschiedlichster Menschen ist es mir gelungen, aus einer völlig zerstörten inneren Haltung heraus, mich leise wieder aufzurichten.


 Geholfen haben mir jene, die auch fachlich kompetent sind. Das macht die Sache leichter, weil diese Menschen Dinge nachvollziehen konnten, die andere nicht verstanden haben (Verhaltensweisen, Reaktionen auf bestimmte Dinge oder Situationen, die Auseinandersetzung mit Ängsten, Panikattacken und so weiter).


 Indem ich das Gefühl hatte, verstanden zu werden und auch, dass Gefühle oder Reaktionen aus meiner Perspektive heraus „normal“ waren, nur dadurch konnte es mir gelingen, mich selber zu ordnen und zu finden!

 

 Was begonnen hat, um meinen Kindern eine halbwegs gute Mutter sein zu können, hat sich mehr und mehr dahin entwickelt, mich zunehmend um meiner selbst willen aufzurichten!!!

 

 Und meine Kinder, die immer ein Grund waren, mich selbst voran zu treiben, für deren Existenz ich dem Himmel dankbar bin – werden es mir verzeihen, dass ich einst nicht mehr hatte Leben wollen.

 Sie sind dankbar, dass es mich gibt und genießen die Sicherheit, die ich ihnen gebe – nämlich das, was ich nicht hatte: Ein liebevolles Zuhause und die Gewissheit, dass sie stets aufgefangen sein werden, egal – was sie bedrücken mag!!!!

 

 

 Ich kann nur jedem, der unglücklich ist oder dem ein unendliches Leid widerfahren ist, sagen, rafft Euch auf – egal, wie aussichtslos es auch scheinen mag – es wird sich auszahlen und Ihr werdet verwundert sein darüber, was Ihr erreichen könnt!!!!


 Die Zeit, die es braucht, spielt im Nachhinein keine Rolle, wenn man da angekommen ist, wo man nie glaubte, ankommen zu können!!!

 

 


 Woran ich appellieren möchte, ist, dass sich Menschen weniger selbstgerecht geben mögen. Die Würde eines anderen auch dann respektieren können, wenn man selbst vielleicht nicht nachvollziehen kann, wie dieser Mensch empfindet – Grundlage für den Umgang miteinander sollte immer die Toleranz sein. Eben nicht die eigene Sichtweise oder Einschätzung als einzig richtig anzusehen, sondern offenzubleiben für das, was anders ist!

 

 Innerer Kummer oder Schmerz ist äußerlich nicht sichtbar, und dennoch unendlich quälend – helfen wir uns also gegenseitig, einander besser zu verstehen und anstatt andere vorzuverurteilen, wäre es schöner, unterstützend zur Seite zu stehen….

 

 

 


 Es lohnt sich, sich auf den Weg zu machen – so oder so, in welcher Situation man auch immer stecken mag…….

 

 



                          Jasmina Marks

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 



 



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