Ehrlich gesagt, meine Devise, um an wirklich schwere Themen heranzugehen ist stets, einen Weg zu suchen, der es irgendwie erträglicher macht. Der Luft zum Atmen verschafft und die Möglichkeit, einen freien Kopf zum klaren Denken zu bewahren miteinschließt, ohne dass man vor Entsetzen geneigt ist, die Augen und Ohren zu verschließen.

 

 An dieser Stelle mag man auf den Gedanken kommen, dass „sexueller Missbrauch“ und „erträglich“ gegensätzlicher nicht sein könnten und daher ausgeschlossen ist, beides in einen gewissen Einklang zu bringen. Würde im Weiteren den Rückschluss nahelegen, dass es generell, wenn man mit diesem Problem in Berührung kommt, mit furchtbarer Qual einhergehen muss!

 

 Das sehe ich nicht so und deswegen werde ich hier nun versuchen zu erklären, warum das nicht sein muss. Zugegebenermaßen ärgert es mich sehr, wenn ich den allgemeinen Umgang mit Missbrauch stillschweigend hinnehmen soll, gezwungen bin mit anzusehen, wie Steine in den Weg gelegt werden, die nicht sein müssten.  

 

 Fangen wir ganz von vorne an. Wer Missbrauch ausgesetzt ist, für den ist ein normales Leben nicht mehr möglich. Zumeist sind diejenigen die unsere Hilfe, die der Erwachsenen, am dringendsten brauchen die Kinder! Es sind unsere Kinder oder die des Nachbarn, aus dem Sportverein oder in der Musikschule. Wir wissen alle, dass Missbrauch ein entsetzliches Verbrechen ist, das ständig und überall vorkommen kann, größtenteils, was die Abscheu als auch Bestürzung noch antreibt, sogar Mitglieder der eigenen Familie oder nahestehende Freunde. Menschen, denen man das, seien wir ehrlich, niemals zutrauen würde. Und doch müssen wir einräumen, dass es vielleicht hier und da den einen oder anderen merkwürdigen wenn auch flüchtigen Gedanken gegeben hat, dem wir uns aber nachzugehen nicht getraut haben oder gar weigerten, genauer hinzuhören. Anzeichen, die wir nicht wahrnehmen wollten, missachtet und die doch im Untergrund weiter geschlummert haben. Wenn dann so ein Fall publik wird, ist das nicht selten äußerst unangenehm. Sich dann hinzustellen und zu sagen ‚ich hab‘ da sowas geahnt‘  lässt einen nicht gut aussehen, also lieber die Klappe halten … oder so! Natürlich gibt es auch nicht selten jene, welche alle angehen, die Behauptungen dieser Art aufstellen, und das nicht zu knapp. Wo dann im Kollektiv „gedeckelt“ wird und Betroffene geschnitten als auch massiv ausgegrenzt, wenn nicht sogar angegangen werden. Nicht zu vergessen jene, die so einen Vorwurf aussprechen, weil sie sich an wem auch immer für was auch immer rächen wollen, auch diese dürfen nicht komplett aus der Materie ausgeschlossen werden, auch wenn es wohl kaum etwas gibt, das verwerflicher wäre!

 

 Keine Frage, es ist eine furchtbare Tat, die Fassungslosigkeit als auch eine gewisse Furcht bis hin zur Panik und innerlicher Erstarrung aufgrund des Grauens nach sich zieht. Nichtsdestotrotz kann man der Sache Herr werden, wenn man weiß, welche Optionen man hat. Wer informiert ist darüber, was er tun und an wen er sich wenden kann, um Hilfe zu finden, wo er aufgefangen und gut beraten als auch begleitet wird, der hat letztendlich keine Veranlassung, Augen und Ohren geschlossen zu halten!

 

 Ich vertrete die klare Meinung, dass Menschen immer dann geneigt sind, sich schweigend abzuwenden, wann immer sie sich hilflos und gnadenlos überfordert fühlen! Solche Taten sind nun einmal deswegen so weit verbreitet und nur schwer in den Griff zu kriegen, weil Täter sich dessen bewusst sind, welche Macht sie haben und zwar nicht nur das eigentliche Opfer betreffend, sondern auch weit darüber hinausreichend. Das sogenannte „Deckeln“ wird hier angewendet, weil es so wirksam ist. Und es wird von jenen unterstützt, die halt wegschauen!

 

 Natürlich mag es als „leichter“ wahrgenommen werden, wenn man sich einfach raushalten kann und das auch tut. In den meisten Fällen ist das so lange „in Ordnung“, bis man selbst betroffen ist oder wen kennt, der es ist. Wir sind viel zu oft ahnungslos und verkriechen uns lieber in unser „stilles Kämmerlein“, weil wir einfach nicht wissen, welche Möglichkeiten wir haben etwas zu tun! Das aus meiner Sicht entsetzliche daran ist aber, dass wir, sobald wir selbst in eine solche Lage geraten, wir dann auch niemanden haben, der uns beisteht und dieses Verhalten ausschlaggebend dafür ist, dass diese Delikte getrost und relativ sicher unaufhaltsam ihren Lauf nehmen können und werden!

 

 Ohne Zweifel ist in der Gemeinschaft eine Stärke vorgegeben, die handlungsfähig macht und daran darf man sich gerne erinnern. Nicht nur zum eigenen Vorteil, sondern auch im Hinblick auf alle, mit denen wir es zu tun haben. Menschen auszugrenzen, weil sie die Dinge beim Namen nennen und Beschuldigungen aussprechen, Anzeige erstatten um sich zu wehren als auch um nachfolgende Taten zu verhindern, ist äußerst bedenklich! Wer aufsteht und gegen etwas eintritt, das manch einem wie ein noch so großer Frevel erscheinen mag, der tut dieses mit Sicherheit nicht leichtfertig oder gar unbedacht. Nur, weil etwas unvorstellbar erscheint und das Ansehen einer Person zu beschmutzen droht, muss es nicht aus der Luft gegriffen sein. Wer aufklären will als auch dazu ermutigt, selbst das Ruder in die Hand zu nehmen und ein Unrecht in Form dieses Verbrechens anzuerkennen als auch zu unterbinden, darf gerne unterstützt werden, gemeinschaftlich sogar! Es ist keine feine Art und davon mal abgesehen, sehr kurzfristig gedacht, so jemandem den Mund zu verbieten und damit die Stimme nehmen zu wollen. Denn leichter, vor allem was das eigene Gewissen betrifft, wird es dadurch mit Sicherheit nicht, aber das ist vermutlich ein anderes Thema!

 

 Zurück zum eigentlichen Vorgehen gegen Missbrauch und der These, die mal alle bisherigen Umgangsformen zu überdenken anregen soll.

 

 Für mich war es immer wichtig und die unbedingte Zielsetzung, dass, wenn Menschen zu meinen Vorträgen oder Lesungen zum Thema Missbrauch kamen, diese motiviert und freier gehen durften, als sie gekommen sind! Will sagen, einen solchen Vortrag zu besuchen, schreckt die meisten von uns ab und sie bleiben weg und wer trotzdem kommt, für den ist es gerne mit einer gewissen inneren Ablehnung, vielleicht sogar Widerwillen, mit Sicherheit aber Anspannung einhergehend. Man weiß schließlich, dass es kein lockerer Abend werden kann. Und doch ist es möglich, eine Art und Weise zu finden, zwar nachdenklich aber dennoch gestärkt aus so einem Termin herauszukommen. Das geht, das geht ohne Zweifel.

 

 Man kann über dieses Thema aufklären, ohne schockieren zu müssen oder die Leute derart zu überfahren, dass schon die Teilnahme ein lähmendes Entsetzen nach sich zieht! Dass Missbrauch entsetzliche Konsequenzen haben kann, wissen wir alle. Dafür brauchen wir einen solchen Vortrag nicht zu besuchen. Dass wir einiges und noch viel mehr tun können, um damit umzugehen ist das einzig entscheidende Wissen, das wir brauchen. Indem wir den Täter an sich demaskieren, hinter die Fassade blicken und Zusammenhänge verstehen können, verlieren wir die Angst und damit die Überforderung, der wir uns zuvor noch hilflos ausgeliefert gefühlt haben!

 

 Es ist durchaus machbar, sich mit sexuellem Missbrauch auseinanderzusetzen ohne dem Gefühl zu erliegen, ein Trauma erlitten zu haben, nur weil man darüber nachdenkt oder Menschen zuhört, die darüber sprechen. Weshalb ich mich persönlich auch vehement dagegen zur Wehr setze und das auch immer tun werde, Einzelheiten von Übergriffen bis ins Kleinste zu beschreiben – weil es niemandem hilft, mehr noch  … es schreckt ab! Also lasse ich es ausdrücklich ganz bewusst sein. Denn es geht auch anders, klar geht es das!

 

 Nur wer Angst vor heftigen Konsequenzen haben muss, wird sein Handeln im Vorfeld durchleuchten und sich deswegen unter Umständen zusammenreißen als auch zurücknehmen. Muss er befürchten, dass er oder sie umgeben ist von wachsamen Blicken, die einen in Verdachtsmomenten durchdringend als auch prüfend begutachten und eben nicht aus den Augen lassen, um bei dem geringsten Anzeichen einer Verfehlung ihre Stimme zu erheben, der wird sich das zwei-, wenn nicht sogar dreimal überlegen, ob er einer Verfehlung, welcher Art auch immer, die gegen die menschliche Würde agiert, nachgeht!

 

 Ihr könnt wesentlich mehr tun als Euch von dem Überbegriff „sexueller Missbrauch“ erschlagen zu lassen, denn es gibt ganz viele Mittel und Wege, die man gehen kann, um diesem zweifellos schrecklichem Verbrechen Einhalt zu gebieten!

 

 Informiert Euch über Anzeichen und Verhaltensweisen eines betroffenen Kindes sowie über die Möglichkeiten, einzugreifen. An wen man sich wenden und wer fachkundig zur Seite stehen kann, den Ihr einfach und unkompliziert erreichen könnt und scheut Euch nicht, Hilfe anzunehmen. Nicht, dass man Hilfe benötigt stellt ein Problem dar, sondern zu wissen, man bräuchte sie und sich zu stolz zu sein diese in Anspruch zu nehmen, lässt es zu einem Problem ausufern. Denn egal was die Leute tratschen könnten, sie reden so oder so und das sollte und darf keine Beeinflussung für das eigene Handeln darstellen, erst recht nicht, wenn es darum geht, einer massiv beschädigten Seele eine helfende Hand zu reichen!

 

 

 

In diesem Sinne

 

Eure Jasmina

 

 

 

 

               „Gedanken sind der Anfang von Taten“



 

 

 

                               



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© Jasmina Marks